Er hat einen interessanten Karriereweg hinter sich, saß vor seinem Informatik-Studium nie vor einem Computer und ist Fan von Workplace Learning: Ein Gespräch mit Christian Böhler, E-Learning Specialist beim Energieversorgungs-Riesen RWE.
1. Herr Böhler, Sie sind bei der RWE Group Business Services der „E-Learning Specialist“. Was gehört zu Ihren Aufgaben und Verantwortungen?
Christian Böhler: Innerhalb der RWE GBS bin ich der Spezialist. Da RWE aber aus mehreren Unternehmen besteht, gibt es weitere Spezialisten, die sich um konkrete Anfragen aus dem Business kümmern bzw. technische Weiterbildung abdecken. Meine Rolle ist eher zentral.
Dazu gehört das Entwickeln einer digitalen Lernstrategie basierend auf dem 70-20-10-Modell. Des Weiteren entwickeln wir Interventionen für konzernweite Themen wie Compliance oder Sicherheitstrainings.
2. Sie haben zunächst einen ganz anderen beruflichen Weg eingeschlagen, als gelernter Zimmerer und Bauleiter. Wie kam es eigentlich, dass Sie letztendlich beim Thema E-Learning gelandet sind?
Christian Böhler: Als ich vor der Entscheidung stand, etwas Neues zu beginnen oder am Alten festzuhalten, habe ich mich für das entschieden, was mir am entferntesten vorkam. Das war Informatik. Ich saß am ersten Tag meines Studiums das erste Mal vor einem Computer. Mir waren Programmierung und Datenbanken aber zu trocken und zu fern. Mit E-Learning und Usability habe ich Nischen gefunden, die mir mehr lagen. So kam es zu dieser Spezialisierung.
E-Learning liegt mir insbesondere, weil es mich in meiner Freiheit unterstützt, zu lernen, wann und wie ich will und vor allem genau dann, wenn ich es brauche, um voranzukommen. Ganz ehrlich? Eigentlich tue ich das, was ich tue, vor allem für mich 😉
3. Sie waren vor Ihrer Anstellung bei RWE auch der E-Learning-Beauftragter der Landespolizeischule Rheinland-Pfalz. Wie setzt denn die Polizei E-Learning ein? Und was waren Ihre wichtigsten Learnings dort?
Christian Böhler: Insbesondere in welchem Kontext und mit welchen Voraussetzungen dort gelernt wird, unterscheidet sich von anderen Lernszenarien. Interessant wird es, wenn es um Virtual Reality geht. Man kann sehr gut alltägliche Szenen simulieren und in einem Multi-User-Setting können andere Teilnehmer und Trainer unterschiedliche Perspektiven einnehmen. E-Learning wurde dort aber insbesondere in der Lehre zur Vermittlung von Grundlagenwissen eingesetzt.
4. Bei der RWE sind Sie vor allem für Lern-Technologien und -Methoden als Senior Manager verantwortlich. Was halten Sie aktuell für die effektivsten E-Learning-Tools und -Methoden?
Christian Böhler: Für mich ist es ganz besonders wichtig, traditionelle Settings aufzulösen und das Lernen stärker an den Arbeitsplatz und in dem Moment des Bedarfs zu bringen. Dort ist die Relevanz am höchsten und somit auch die Nachhaltigkeit erworbenen Wissens. Also kleinere Häppchen, mit höherer Passung, immer und überall verfügbar. Das ist meines Erachtens neben Mentoring die einzige Methode, die Performance zu unterstützen.

Ein Einblick in das „Global Blended Learning“-Projekt der RWE, das 2015 mit dem eLearning-Award ausgezeichnet wurde
5. Und wenn Sie die Zukunft schauen, welche Technologien und Methoden werden in 5 oder 10 Jahren eine wichtige Rolle spielen?
Christian Böhler: Artificial Intelligence. Transparente Systeme, die lernen, was benötigt wird und vor allem wann, wo und wie und den Mitarbeiter darin unterstützen, das richtige Wissen zu finden und aufzunehmen. Darin sind Learning&Development-Abteilungen nicht besonders gut bzw. ist es nicht wirtschaftlich zu realisieren. Performance Support Systeme sind schon der richtige Ansatz. Allerdings fehlt noch die Kontexterkennung, wenn es um Wissensbedarfe außerhalb von IT-Anwendungen geht.
6. Sprechen wir speziell über den Einsatz von Video für das Lernen: Welche Rolle spielt das heute und welche wichtigen Entwicklungen sehen Sie hier kommen?
Christian Böhler: Ich erkenne insbesondere ein aufkommendes neues Selbstbewusstsein und den Willen, Videos selbst zu produzieren, die eigene Arbeit zu dokumentieren und anderen dieses vormals implizite Wissen zur Verfügung zu stellen. Außerdem ist eine hohe Bereitschaft da, sich kurze Videos mit einer Länge von maximal 3 Minuten anzusehen, um Aufgabenstellungen lösen zu können. Ich denke, das wird noch stärker genutzt werden.

Künstliche Intelligenz – das hält Christian Böhler langfristig für eine Möglichkeit, die Lernenden optimal zu unterstützen [(c) Wikipedia Commons]
7. Ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an, als oberster Personalchef hätten Sie bei einem großen Unternehmen völlig freie Hand. Was wären drei konkrete Maßnahmen, die Sie umsetzen würden, um eine moderne Weiterbildungskultur nachhaltig zu etablieren?
Folgendes würde ich umsetzen:
1. Mitarbeiter fit für eine neue Lernkultur machen
Nur Mitarbeiter, die in der Lage sind, Medien effizient und effektiv zu nutzen, sind in der Lage, den größten Mehrwert daraus zu ziehen.
2. Governance
Es müssen in der Übergangsphase alle Wege unterbunden werden, traditionelle Lern-Maßnahmen auf Nebenwegen einzukaufen. Danach sollte die Lernkultur so gut sein, eigenverantwortlich die besten Lösungen zu nutzen. Was macht dann L&D? Nun, C+C+C. Das steht für „Coach + Curate + Community Management“. Also Lernen unterstützen, Lösungen und Inhalte verbreiten und Lerncommunities managen.
3. Transparente technische Infrastruktur
Aber nicht als Lösung von Problemen. Sondern sie hilft dabei, die Lösungen zu unterstützen.
Herr Böhler, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
Ich finde E-Learning auch eine super Sache. Die Weiterbildung im Marketing nutzt sowas ja schon um einiges länger, weil die digitalen Medien so naheliegend sind. Ich studiere zwar was anderes aber profitiere mittlerweile auch davon.