Vom Lernen im Workflow, e-Learning ohne „e“ und Video-Plattformen: Charles Jennings wagt einen Blick ins Corporate Learning von morgen
Zukunftsprognosen? Au ja! Wir alle interessieren uns brennend für die Zukunft (zuletzt in diesem Beitrag). Denn wie schließlich Woody Allen so schön sagte: Das wird der Ort sein, an dem wir den Rest unserer Tage verbringen werden.
Und ganz besonders im Digital Learning, wo es ja so viele Innovationen, Entwicklungen und Veränderungen gibt, fragen sich viele: Wo wird die Reise hingehen?

Ausfahrt in 1000 Metern: Die Zukunft liegt nah! (Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Autobahn_Schild_Zukunft.jpg)
Das wurde auch der E-Learning-Pionier Charles Jennings gefragt (wir hatten erst letztens über ihn, seine Theorien sowie das längere Interview mit ihm geschrieben). Und auch wenn er einschränkt, dass ein Blick in die Zukunft immer mit vielen Fallstricken behaftet ist, wagt er doch ein paar sehr spannende Einschätzungen, wie sich die betriebliche Weiterbildung verändern wird. Hier unsere zusammenfassende Übersetzung (gefettete Hervorhebungen von uns) mit unseren Kommentaren (in kursiv):
- Die Personalentwicklungs-Abteilungen werden kleiner. Ihre vorrangige Aufgabe wird sein, das Lernen als Teil des Workflows zu ermöglichen und zu erleichtern, und zwar dort, wo die Arbeit stattfindet.
Lernen sollte nicht von der normalen Arbeitsumgebung isoliert stattfinden, sondern genau da, wo es einen konkreten Bedarf gibt – „learning on demand“ ist das Stichwort.
- Klassische Präsenztrainings werden auch zukünftig stattfinden, aber nur dann, wenn der Nutzen des direkten „face-to-face“ so hoch ist, dass die Kosten wirklich gerechtfertigt sind – und vor allem den Führungskräften zugutekommen. Ansonsten werden Unternehmen primär auf Digital Learning setzen.
Auch heute ist es ja schon so: Kostspielige Trainings, typischerweise in teuren Hotels und mehrere Tage lang, gibt’s meist nur für die Führungskräfte. Trotzdem wird es sie weiterhin geben – auch wenn Unternehmen immer genauer hinschauen werden, wieviel das unterm Strich bringt. Oder ob z.B. ein klug konzipiertes und auf nachhaltigen Wissenserwerb angelegtes Blended Learning nicht einen viel höheren Nutzen erzeugt …
- Der Begriff „e-Learning“ wird sein „e“ verlieren – und einfach nur noch „Learning“ heißen, da der Einsatz von digitalen Tools zur Selbstverständlichkeit wird. Und sei es bloß, um Mitarbeiter und Teams virtuell zusammenzubringen.
Das ist sehr sinnvoll: „e-Learning“ klingt heute fast schon ein wenig altbacken, nach den frühen WBTs … dabei ist entscheidend, was hinten rauskommt: Das Lernen!
- Der Einsatz Sozialer Medien wird fürs Lernen allgegenwärtig.
Ganz sicher – denn Lernen macht zusammen viel mehr Spaß, wenn man sich darüber austauscht, sich gegenseitig Tipps gibt und Rückmeldung zu den Wissens-Contents geben kann, also z.B. darüber, was einem besonders viel gebracht hat oder wo man möglicherweise noch Schwächen oder Lücken bei den Inhalten oder deren Formaten feststellt.
- Die meisten Firmen werden ein „internes YouTube“ – sprich: eine interne Video-Plattform – haben, um die Mitarbeiter mit Wissens-Input und -Austausch zu unterstützen. Die Personalentwickler könnten das Einpflegen des „user-generated content“ organisieren.
Ganz klar: Video ist das neue Leitmedium im Netz, und auch zunehmend im Digitalen Lernen – daher wird kein Unternehmen auf Videolearning verzichten können bzw. wollen, und daher werden Videos zunehmend selbst gehostet und verwaltet. Auch „selbstgemachter“ Videocontent kann z.B. dann sinnvoll sein, wenn Mitarbeiter kurze Filme darüber drehen, wie man eine bestimmte neue Maschine wartet, und dieses Wissen dann den Kollegen auf diesem Weg zur Verfügung stellt. Allerdings muss dafür ein Basis-Wissen über das Filmen und das Schneiden etc. im Unternehmen vorhanden sein.
- Die vorrangige Aufgabe von Learning Consultants wird sein, Unternehmen bei der Bereitstellung von Wissen zu unterstützen, also Inhalte verfügbar zu machen und Lern-Communities zu ermöglichen. Außerdem werden sie analysieren, wo zukünftig Wissens- und Kompetenz-Lücken entstehen könnten. Die Consultants werden wesentlich enger als heute mit den Unternehmens-Beteiligten zusammenarbeiten.
Davon sind auch wir überzeugt: Die Rolle der externen Weiterbildungs-Berater sowie der internen Personalentwickler wird sich langfristig wandeln. Sie werden zunehmend zu Gestaltern von Lernumgebungen und Begleitern von Lernprozessen.
Und jetzt sind wir gespannt auf Ihre Einschätzung: Meinen Sie, Charles Jennings hat Recht? Und gibt es aus Ihrer Sicht noch andere Trends und Entwicklungen?
Auf Ihre Kommentare freut sich
Leo Molatore und das Team der Pink University
Da ja sehnsüchtig auf einen Kommentar gewartet wird 🙂
Mir fehlt da noch einerseits der Punkt, den das MMB-Institut gerade verarbeitet hat „Zukunftstrend Adaptives Lernen“
MMB-Trendmonitor I/2014
http://www.mmb-institut.de/monitore/aktuell.html
passt zu den unter 6 genannten Consultants, die wie adaptive Lernsysteme individuell „bei der Bereitstellung von Wissen unterstützen, also Inhalte verfügbar machen und Lern-Communities ermöglichen. Außerdem werden sie analysieren, wo zukünftig Wissens- und Kompetenz-Lücken entstehen könnten.“
und als nächstes (was ich immer gerne anführe) das Aufbrechen der 1% Regel (1% Ersteller/9%Kommentatoren/90% stille Mitleser) – was ja irgendwie auch zum besprochenen 70-20-10 von Jennings passt.
Ich denke gerade bei der Partizipationsrate kann z.B. Gamification Hilfestellung geben – oder warum spielen 16 Mio. Deutsche Quiz-Duell um ihr Wissen zu messen & zahlen zum Teil noch dafür?
Freiwillig Lernen in der Freizeit? Undenkbar 😉
Hallo Herr Kunze,
besten Dank für diesen interessanten Beitrag und den Hinweis auf die neue MMB-Veröffentlichung! Der Punkt „Adaptives Lernen“ könnte sich mit Sicherheit zu einem weiteren Trend in der Weiterbildung entwickeln, Gamification ist es ja heute schon … Wobei wir der Meinung sind: Die höchste Motivation und damit Partizipation gibt es immer dann, wenn ein konkreter Bedarf besteht – wobei wir wieder bei Punkt 1 wären 🙂
Herzliche Grüße
Leo Molatore
Vielen Dank für diesen Blogartikel, der – wie könnte es anders sein – auch meiner Einschätzung entspricht. 🙂
Zukünftig wird das Lernen am Arbeitsplatz eine noch größere Bedeutung erhalten. Damit verändern sich auch die Rollen der Beteiligten – wie z.B. bei der Führungskräfteentwicklung:
– Die Führungskraft wird zum aktiv Handelnden: lernt selbstorganisiert und kollaborativ mit anderen zusammen.
– Das Unternehmen wird zum “Lernermöglicher” und stellt die entsprechenden Rahmenbedingungen bereit.
– Der Trainer wird zum Lernprozessbegleiter der Führungskräfte. Er unterstützt mit passgenauen Inputs, integriert Coachingelemente und regt zur Reflexion an. Und wie Sie auch erwähnen: Er wird enger mit dem Unternehmen zusammenwirken müssen.
Darf ich noch einen Hinweis in eigener Sache geben? 😉
Meine Publikation „Die ersten 100 Tage als Führungskraft“ nimmt den oben beschriebenen Trend auf und bietet den Lernprozess der Einarbeitung als neue Führungskraft in einer Kombination von Online-Lernen und Präsenzworkshop an. Dieses Trainingskonzept erscheint Ende Mai 2014 im managerSeminare Verlag.
Hier gibt es vorab schon eine Lese- und Hörprobe, falls Sie Interesse haben: http://www.managerseminare.de/Leseprobe/tb-10925?mecL=UmFuZG9tSVYKDuPHowoGlofVilt585QR
Ihnen beste Grüße aus Norddeutschland
Barbara Simonsen, Ratzeburg
Hallo Frau Simonsen,
vielen Dank für den Beitrag – ja, die Rollen der Beteiligten (und auch der „Lernenden“) werden sich ändern bzw. sind bereits jetzt im Änderungsprozess…
Herzliche Grüße und viel Erfolg mit Ihrer Publikation!
Leo Molatore
Danke 😀
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